Zu spät zur Party? Mein Berufseinstieg

MrHonk

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich habe mich extra hier einmal registiert, um mir mal ein wenig die Seele herunterzuschreiben und evtl. auch um nach Rat zu suchen.

Kurze Background-Story: Ich bin Ende 20 und bin erst relativ spät in die IT-Welt gestartet. Vorher habe ich eine Ausbildung im handwerklichen Bereich gemacht. Habe dann Wirtschaftsinformatik studiert und während des Studiums meine Schwerpunkte auf die Softwareentwicklung gelegt. Nebenher habe ich mit kleinen Projekten versucht mein Wissen weiter aufzubauen und hatte immer viel Spaß daran zu programmieren. Mein Weg schien von dort also klar: ich werde Softwareentwickler.
Werkstudentenjob im Bereich gesucht und 2 Jahre gemacht und dann direkt meinen ersten Junior-Java-Entwickler-Job nach dem Studium angetreten. Mitlerweile aus der Probezeit raus und ich könnte eigentlich happy sein: Ziel erreicht.

Aber: Mich plagen Selbstzweifel und Zukunftssorgen. Um es mal so platt auszudrücken. Nach Antritt des Jobs musste ich schnell feststellen, dass ich vieles noch nicht weiß und mich viele Konzepte (teilweise bis heute) verwirren. Selbst einige grundlegende Funktionen (seien es irgendwelche Debugging-Tricks, Git-Konzepte oder andere Basics) waren für mich neu und ich kam mir natürlich absolut doof vor, als man mir diese erst erklären musste. Ich habe einfach das Problem gehabt, dass mir im Studium und in meiner Werkstudententätigkeit nie jemand über die Schulter geschaut hat (überwiegend Home-Office). Ich kam halt immer trotzdem ans Ziel, wohl aber nicht auf dem "leichtesten" Weg. Ohnehin bin ich wohl auch einfach nicht der Typ von ITler, der quasi in Bytecode denkt und zur absoluten Spitzenklasse gehört. Ein paar mal durfte ich mir auch schon den Spruch gefallen lassen, dass ich ja "nur" Wirtschaftsinformatik studiert hätte.

Nungut, ich will mich jetzt auch nicht absolut schlecht reden. Meine Kollegen scheinen mit dem Code den ich dann abliefere im großen und ganzen in den Reviews auch zufrieden zu sein und ich erreiche bisher immer irgendwie das Ziel und für eine eigene kleine Handy-App (Vue, Spring) reichten meine Fähigkeiten auch. Dennoch bin ich mir bewusst, dass ich vieles noch nicht weiß. Aber ich denke das ist zum Teil auch irgendwie normal und gehört dazu.

Ich könnte mir vorstellen, dass diese Ausgangslage vor 15 Jahren vielleicht noch nicht ein so großes Problem dargestellt hätte, man würde halt einfach weitermachen und irgendwann wäre man dann soweit und könnte mit stolzer Brust von sich behaupten: Ich bin ein guter Softwareentwickler. Aber heute?

Oft habe ich bereits gelesen, dass KI-Anwendungen vor allem Junior-Positionen bedrohen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wenn Chat-GPT o.a. in 2,3 Jahren Zugriff auf unser Projekt bekäme, es bereits dann viele meiner heutigen Aufgaben erledigen könnte (vermutlich bereits früher). Klar, irgendwer müsste das Ganze noch immer bedienen und überprüfen, aber das würde dann wohl eher einem Senior zufallen, der den produzierten Code besser beurteilen könnte und sich auch fachlich besser auskennt als ich.

Kurz: Ich frage mich, ob ich einfach mit meinem Karrierestart zu spät dran bin. Das ich bereits Ende 20 bin, machts in dieser Situation natürlich auch nicht besser. Auch zeichnet sich für mich bei meinem Arbeitgeber eine gewisse Art Sackgasse ab. Ein Ticket folgt dem nächsten. Fortbildungen gibt es nicht. Dabei habe ich bei meiner Job-Suche auch spannend klingende Anzeigen wie "DevOps-Engineer", "Cloud-Architekt" o.ä. gesehen. IT-Sicherheit und selbst -Beratung interessieren mich auch. Ich könnte mir vieles vorstellen. Aber wie ich (mit meinem Alter und meinen spärrlichen Skills) einen Fuß in diese Türen bekommen könnte: Keine Ahnung. Jedenfalls nicht über meinen heutigen Arbeitgeber.

Dann noch das Thema Geld: Ich müsste Lügen, wenn ich sagen würde, dass ich allein aus Leidenschaft zur IT diesen Bereich gewählt habe. Zwar hat sich aus rein finanzieller Perspektive meine "Umschulung" bereits gelohnt, aber es dürfte (wie vermutlich bei jedem) natürlich gern mehr sein. Ich bin natürlich nicht so naiv gewesen zu glauben, dass ich als Junior direkt meine 60k Brutto nach Hause schleppen würde (Die Personalerin erzählte mir damals, dass manch Mitbewerber tatsächlich solch Vorstellung gehabt hätte), aber doch bewegt sich mein jetztiges Gehalt am unteren Durchschnitt. Und mit meinem Leistungsstand traue ich mich natürlich auch nicht nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.

Tut mir leid, wenn das Ganze nun etwas verwirrend wurde. Aber das spiegelt einfach auch gerade meine Gedankenwelt gut wieder. Ich weiß einfach nicht so richtig, wie es weitergehen soll. Ich wüsste nicht einmal, wie ich mich privat in einem anderen Bereich weiterbilden könnte, geschweigedenn in welchem Bereich. Die Motivation ist da, aber irgendwie komme ich mir aktuell einfach wie gelähmt vor...

Würde mich über jede Art von Rückmeldung, Meinung, Tipp oder auch persönliche Erfahrung freuen, die jemand mir hinterlässt, der sich durch mein wirres Geschreibsel bis hierhin durchgekämpft hat.
 

KonradN

Super-Moderator
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Also wenn Du ein Studium abgeschlossen und Tätigkeiten im Bereich Softwareentwicklung gemacht hast, dann sehe ich das erst einmal nicht als "zu spät" oder so an. Mit Ende 20 bist Du auch nicht zu alt.

ABER: Weiterbildung ist aus meiner Sicht existenziell. Und mit abgeschlossenem Studium ist die Erwartungshaltung auch, dass Du Dich halt (auch) mit den Konzepten auseinander setzt um dann ein generelles Verständnis zu bekommen. Das zusammen mit etwas Erfahrung zu sammeln in der Umsetzung. Wenn das Dein Arbeitgeber nicht unterstützt (und Du als Junior auch keine Führung bekommst!), dann ist ein Wechsel des Arbeitgebers aus meiner Sicht dringend geboten. Du musst Dich doch weiter entwickeln - vor allem in einem Bereich, der sich extrem schnell weiter entwickelt.

Und überlege Dir, was Du machen willst: Wirklich Software Entwicklung oder willst Du lieber in eine andere Richtung gehen? Da solltest Du dann einmal schauen, was genau Dich interessiert um Dich da dann direkt drauf zu konzentrieren. Was ich nutze zur Weiterbildung ist eine Pro Subscription von Manning - da habe ich dann Zugriff auf sehr viele Bücher, die lesen kann. (Aber das ist halt meine Präferenz: Bücher. Und dann vertiefen über Dokumentation und "herum spielen"). Aber ganz wichtig ist auch, dass man Erfahrungen sammelt. Also wenn dann z.B. Kubernetes in dem gewählten Bereich wichtig ist, dann bau einen Kubernetes Cluster auf zuhause. Beschäftige Dich intensiv damit und mach diverse Dinge. Cloud ist schwieriger, aber oft kann man da mit freien Accounts einige Einblicke sammeln bei diversen Anbietern. Dokumentation sollte es da viel geben.

Aber wie so oft: Du musst Dich festlegen! Man kann aus meiner Sicht heutzutage nicht alles machen. Dafür ist alles viel zu komplex. Wenn es also um Software Entwicklung geht, dann gibt es da so viel, das wichtig ist:
  • Unit Tests (incl. Nutzung in Frameworks. Dabei ist es egal, auf was man zurück greift. Jakarta EE; Spring Boot, Quarkus, ... haben viele Überschneidungen, was die die Konzepte angeht und man kann erlangtes WIssen ggf. schnell übertragen)
  • Datenbankgrundlagen (ist ja nicht mehr nur relational - MongoDB und co sind auch extrem wichtig geworden)
  • Frontends (Sei es Web oder mobile Anwendungen) werden auch oft gefordert. Dieses Full Stack muss man nicht meistern, aber man wird Berührungspunkte haben...)
  • Konzepte wie Agile Software Entwicklung (SCRUM / SAFe / ...), Domain Driven Design (Hier packe ich dann auch Microservices mit rein), ....
  • Security (Das ist bei uns absolute Pflicht) - OWASP wäre da ein Punkt, der mir direkt in den Sinn kommt

Das ist nur eine schnelle Aufzählung, garantiert nicht vollständig. Ich will halt nur paar Dinge aufzählen ...

Wichtig ist aus meiner Sicht also:
  • Werde Dir im klaren, welchen Weg Du gehen willst.
  • Dann geh es direkt an (In Form von viel investierter Zeit und auch Geld!)
  • Sieh zu, dass Du einen Arbeitgeber findest, der die weitere Entwicklung unterstützt. (Unabhängig davon solltest Du schauen, zu wem Du denn regelmäßigen Kontakt haben kannst. Evtl. kannst Du ja mit einem Senior regelmäßig reden! Und sei es nur beim Mittagessen oder so ... Dann bekommst Du ggf. etwas Unterstützung und Führung....)

Das wäre so meine Sichtweise auf dieses Thema ...
 

MrHonk

Neues Mitglied
Hallo Konrad, erst Mal vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit genommen hast. Als stiller Mitleser der ich hier war/bin, kenn ich dich aus diversen Beiträgen und weiß daher die Meinung eines Experten wirklich zu schätzen :)

Du hast das Wort "Führung" ins Spiel gebracht und ich glaube genau das fehlt mir. Ich komme mir vor, wie von der Uni direkt ins Arbeitskarrusell geworfen worden zu sein. Nach einer kurzen Einführung ging es bei mir auch direkt los. Nach dem Motto: Das ist unser Projekt und unser Tech-Stack: hier ist dein erstes Ticket. Ich war in der Situation aber dennoch einfach nur froh darüber, dass ich direkt meinen ersten Job landen konnte. Vorher hatte ich durchaus einige "Horror-Stories" darüber gelesen, wie schwer es ist, überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber naja, nun habe ich zwar diese Hürde gemeistert aber stehe irgendwie wieder vor der nächsten.

Wie gesagt: Es mangelt mir nicht an Motivation aber ich fühle mich manchmal auch einfach überwältigt von all den Möglichkeiten/Konzepten in der Welt der IT-Welt. Ich habe den Eindruck irgendwie muss man alles ein wenig kennen/können, aber andererseits weiß ich natürlich selbst, dass das absolut illusorisch ist und man sich spezialisieren sollte. Mir stellt sich hier nur vor allem vor dem Hintergrund von (der "Berdrohung") ChatGPT und Co die Frage: In welchen Bereich lohnt es sich zu spezialisieren?

Hier würde mich brennend deine (und natürlich auch die der anderen) Meinung interessieren. Welche Jobs sind "zukunftssicher" und gefragt? Welche Spezialisierung lohnt sich heutzutage? Die offensichtlichste, dass ich ein Ki-ENTWICKLER werden könnte, schließe ich dabei selbst aus. Das ist mir eindeutig zu theoretisch und Mathe-Lastig. Da kenne ich meine Limits.. Daher auch meine Gedanken-Spiele in Richtung: Dev-Ops (Also dann eher Kubernetes und co.?) oder Beratung (keine Ahnung wie man dort den Einstieg findet).

Und noch eine Frage: Nehmen wir an, ich würde mich nun entschließen privat mich im Bereich Kubernetes o.ä. fortzubilden. Wie mache ich das? Ich kann ja schlecht einen Udemy-Kurs o.ä. machen und dann in einer Bewerbung stolz mein Zertifikat mitschicken? Das hat doch keinerlei Wert? Oder etwa doch? Ich habe absolut kein Gefühl dafür, was Arbeitgeber verlangen.
 

KonradN

Super-Moderator
Mitarbeiter
Die Zukunft ist schwer zu prognostizieren - KI wird die Software Entwicklung revolutionieren. Aber das wird es immer noch geben, aber halt mit anderen Schwerpunkten. Analyse und Design wird man immer noch brauchen.

Die Frage kann man auch noch weiter fassen: was haben wir zukünftig noch an Geräten? Computer in der heutigen Form wird es evtl. immer weniger geben. Selbst Tablets und Smartphones werden sich noch massiv wandeln denke ich. VR Brillen und co für optische Darstellung und halt Ton als Interface reichen doch für immer mehr.

Vor dem Hintergrund wäre Cloud ein Bereich, den ich vor allem sehen würde. Auf Serverseite wird es immer mehr darauf hinaus laufen schätze ich.

Das sind aber alles nur Spekulationen. Wir werden sehen, wohin es führen wird.

Bezüglich der konkreten Frage:
Zertifikate sind überbewertet. Du musst praktisch was damit machen. Kubernetes könnte man mit paar Raspberry Pi Systemen was basteln und dann diverse Dinge probieren. Hoste da z.B. diverse Dinge drauf …Ich habe bei mir diverse Dinge in Containern gehostet wie gitea, owncloud, paperless, ….
Mit Dingen wie Backup, Failover, ….. auch dieses Gebiet wird schnell recht komplex…
 

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